Wingsbach – Hexendrama und Glaubensfanatismus
Vermutlich um die Jahrtausendwende entstand einer der kleineren Stadtteile Taunussteins: Das heute rund 750 Einwohner zählende Wingsbach. Über das genaue Gründungsjahr sind sich die Historiker ebenso uneins wie über eine sichere Namensdeutung. Während die einen den Namen Wingsbach als den früheren Besitz des „Wuno oder Wüno am Bach“ deuten, meinen andere, die Wortwurzel sei „Winigesbach“, was als „Bach des Winiger“ zu übersetzen wäre.
Die Geschichte von Wingsbach ähnelt in vielem der seiner Nachbargemeinden: Alle befanden sich während des Mittelalters im Spannungsfeld zwischen den Rechten des Abtes von Bleidenstadt und den Ansprüchen der Grafen von Nassau. Die weltlichen Herren verstanden es nämlich geschickt, die ursprünglichen Rechte der Geistlichkeit immer weiter in den Hintergrund zu drängen und schließlich unwirksam werden zu lassen.
Genauso schrecklich wie der Glaubensfanatismus, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts den Dreißigjährigen Krieg verursacht hatte, war der schlimmer denn je auflebende Hexenwahn in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Von den „überführten“ Hexen aus der Nachbargemeinde Wehen wurden 1676 während der Gerichtstage in Idstein auch unschuldige Einwohner von Wingsbach belastet. Nach entsetzlichen Folterqualen sagte Elisabeth Hermann aus, dass die Frau Zierleiten sie gelehrt habe, was man dem Vieh geben müsse, damit es die Milch verliere.
Adam Fließenbarth gab vor dem Hexengericht zu, in Wingsbach sämtliche Hexen zu kennen. Der am 23. August 1676 Hingerichtete wusste auch, dass es dem Wingsbacher Erwin am schlimmsten ergangen sei. Erwin habe sich gesträubt, auf Befehl des Teufels seine Familie und das Vieh zu vernichten, doch dauernde Prügel vom Satan hätten den Widerspenstigen gehorsam gemacht. Trotz dieser und vieler anderer Denunziationen ist bislang noch nicht bekannt, ob auch Einwohner von Wingsbach vor das Hexengericht gestellt wurden.
70 Jahre nach den wahnsinnigen Hexenprozessen wurden bei einer großen Volkszählung in Wingsbach 27 Häuser gezählt, in denen 13 „Bespannte“, ein „Heppenhauer“ und 39 Kinder lebten. Sie verfügten über insgesamt 508 Morgen Ackerland und Wiesen, über 23 Ochsen, 20 Stiere, 97 Rinder, 211 Schafe, 32 Schweine und drei Pferde. Nachträglich notierte man am 3.12.1974 noch drei Pferde bei einer Viehzählung. Außerdem gab es 154 Rindviecher, 237 Schweine und 167 Hühner.
Wer nun meint, Wingsbach sei das rein landwirtschaftlich orientierte Dorf geblieben, irrt sich sehr. Moderne Handwerksbetriebe und mittelständiges Gewerbe veränderten Wingsbach, zusammen mit modernen Wohngebieten,im positiven Sinne. Eine stets aktive Dorfgemeinschaft, in die auch viele Neubürger integriert sind, sorgt für Betrieb und Leben in der Sport und Kulturhalle, die übrigens in ihrer heutigen Form ein „echtes Produkt“ einer lebendigen Gemeinschaft ist. Die als Bürgerhaus umgebaute frühere Schule tut ihr Übriges, den Gemeinschaftssinn in einem der schönsten Stadtteile von Taunusstein zu erhalten.